Frauenfeld, Kantonsbibliothek Thurgau, Y 102
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Beschreibung von Marianne Luginbühl und Heinz Bothien, Kantonsbibliothek Thurgau, Frauenfeld, 2007.

Manuscript title: Chronik des Klosters Fischingen
Place of origin: Kartause Ittingen
Date of origin: um 1634
Support: Papier
Extent: 20 Bll. und 1 Faltblatt
Format: 310 x 200 mm
Page layout: 254 x 170 mm, einspaltig, 44-50 Zeilen
Binding: Papier über Pappe, blaugrün gesprenkelt, 19. Jh.
Contents:
  • Bl. 1r Der angegebene Titel: Auff unnd Zunemmen Unser Lieben Frauwen Maria und Sant Idden Wittben Gottshaus zu Vischingen im Turgow gelegen: Auch was sich bey iedes Abbts Regierung Zeyten zuo getragen: und in glückh auch unglückh verloffen. Name seinen Anfang umb das 910 Jar, und was zu for […]

    Darunter: Kolorierte Federzeichnung mit den Kirchenpatroninnen von Fischingen, der Gottesmutter mit ihrem Kind und der heiligen Idda. Dazwischen das Wappen des Klosters Fischingen mit den zwei gegenläufig orientierten Fischen, darüber die Mitra mit eingelegtem Abtsstab. Die heilige Idda ist als Klausnerin dargestellt, mit einem Pilgerstab in der rechten Hand. In der Linken trägt sie ein Buch, wohl die Bibel. Darauf liegt der Ring, der Anlass zu ihrer Verstossung durch ihren Gemahl, Graf Diethelm, geboten hat. Der Legende nach wurde der Ring, als Idda ihn bei der morgendlichen Toilette auf ein Fensterbrett legte, von einer Elster gestohlen und in ihr Nest gebracht. Ein Jäger des Grafen fand ihn und steckte ihn an seinen Finger. Als der Graf den Ring an der Hand des Jägers erblickte, glaubte er, seine Gattin habe ihn mit diesem betrogen und stürzte sie von der Höhe seiner Burg herab. Wie durch ein Wunder Gottes blieb sie jedoch unverletzt. Als der Irrtum sich aufklärte, und der Graf seine Gattin wieder lebend fand und sie bat, zu ihm zurückzukehren, ging sie auf diese Bitte nicht ein, sondern bat ihn, ihr bei der Höhle, in der sie gelebt hatte, neben der Kirche in Au eine Klause zu errichten. Von da ging Idda jeden Morgen nach Fischingen in die Messe, wobei ihr ein Hirsch, der auf seinem Geweih 12 Kerzen trug, voran leuchtete. Dadurch erklärt sich der Hirsch als zweites Attribut der heiligen Idda.

    • Unter der blau kolorierten Federzeichnung findet sich ein lateinisches Zitat aus dem Hohen Lied (H.L. 2, 16f.), das übersetzt lautet: Mein Geliebter ist mein und ich bin sein. Er weidet unter Lilien, bis der Tag anbricht und die Schatten weichen.
  • pp. 1v-2v Geographische Lage des Klosters Fischingen und Stiftung eines Gotteshauses zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria im Jahre 910 durch die Grafen von Toggenburg an der Stelle des späteren Klosters mit deren unkolorierten Wappen sowie Erwähnung der ersten vier Pröpste von Fischingen mit zwei unkolorierten Wappen, von denen eines Adelbert von Wangen und das andere Albert von Trungen gehört.
  • pp. 2v-18v Geschichte des Klosters Fischingen von 1029 - 1629, die mit einem nicht näher identifizierbaren Abt Werner beginnt und bis zu Abt Placidus Brunschwiler reicht, mit unkolorierten Wappen des Klosters Fischingen und seiner Äbte.
    • Dazwischen Bl. 11r - 12ar Liste der Wohltäter und Stifter des Klosters Fischingen mit ihren unkolorierten Wappen sowie die Wappen einzelner zur Zeit Fischingens regierender Päpste mit dem einleitenden Text: Hernach volgend der Stiftern, Gutthettern, und umbligenen Adels Personen Wappen, und Namen, so eins Gottshaus Vischingen gehulffen stiften und euffnen: auch mehrer theil ihr Begrabtnus darinnen genommen und begraben worden.
  • Faltblatt: Das der Handschrift vorgebundene Faltblatt enthält eine Federzeichnung mit der Ansicht des Klosters Fischingen vom IV. November 1634, wie einem Schriftband an der oberen rechten Ecke der Zeichnung zu entnehmen ist. Die Vedute zeigt den baulichen Zustand des Klosters nach den Erweiterungsbauten von Abt Christoph Brunner im Jahre 1577 und kurz vor dem Umbau durch Abt Placidus Brunschwiler im Jahre 1635. Albert Knoepfli vermutet, dass die Federzeichnung mit der Vedute des Klosters Fischingen von der Hand des Winterthurer Glasmalers Hans Jeggli stammt, der 1623 eine Vedute des Dominikanerinnenklosters St. Katharinental gezeichnet haben soll.
Origin of the manuscript:
    Bemerkungen zu Autor und Werk:
  • Der Verfasser der Handschrift, Heinrich Murer, eigentlich Johann Heinrich, wurde am 2. März 1588 in Baden (Kanton Aargau) geboren. Er stammte aus einer Badener Familie. Seine Mutter, Salome Bodmer von Baden, heiratete in zweiter Ehe 1592 den Ritter, Alt-Schultheissen und Bannerherrn Ludwig Pfyffer von Altishofen aus Luzern, der indessen schon 1594 starb. Murer wuchs in Luzern auf. Er wird überall als „civis Lucernensis“, Bürger von Luzern, erwähnt und bezeichnet sich selbst in seinen Büchern so, ist aber im Luzerner Bürgerbuch nicht erwähnt. Murer besuchte zuerst die Jesuitenschule in Pruntrut, wohl um die französische Sprache zu erlernen. Nach Abschluss der Schule studierte er Philosophie in Paris. Hier kam es offenbar auch zu ersten Kontakten mit dem Kartäuserorden. Die Ermordung des französischen Königs Heinrich IV. veranlasste ihn zur Rückkehr in die Schweiz. 1611, noch in Luzern, begann er, ein Verzeichnis der Schweizer Heiligen anzulegen. 1614 trat er in den Kartäuserkonvent Ittingen ein, wo er am 28. Februar 1638 starb.
  • Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass Murer sich bei seiner Niederschrift der Geschichte des Klosters Fischingen auf die Angaben von Jakob Bucher stützt, der aus Fischingen stammte, 1600 seine Profess ablegte und am 7. April 1648 starb. Er hatte ebenfalls eine Chronik dieses Klosters verfasst. Sie wurde zwischen dem 15. September 1627 und dem 14. September 1628 vollendet und stimmt in der Angabe der ersten Äbte genau mit der Reihenfolge von Murer überein.
  • Die Chronik des Benediktinerklosters Fischingen ist nur eine von rund zwanzig anderen Chroniken von Klöstern, Abteien und Bistümern, die Murer während seiner Ittinger Zeit (1614-1638) verfasst hat, und die in der Kantonsbibliothek Thurgau aufbewahrt werden. Sie waren alle gedacht als Vorarbeiten zu einem umfassenden Werk, das eine Geschichte und Beschreibung aller Bistümer, Stifte und Klöster enthalten und den Namen Theatrum Ecclesiasticum Helvetiorum, Geistlicher Schauplatz Helvetiens, tragen sollte. Murers früher Tod im Jahre 1638 machte dieses Vorhaben zunichte. Alle Chroniken sind ähnlich aufgebaut: Sie zeigen auf dem Titelblatt die Schutzheiligen der betreffenden Klöster, zum Teil mit deren Attributen. Ein Faltblatt im Inneren der Handschrift enthält eine Ansicht der verschiedenen Gebäulichkeiten der jeweiligen Klöster. Dazwischen steht in Murers kleiner, zierlicher Schrift die Legende zu den einzelnen Bauten.
  • Murers Hauptwerk, die Helvetia Sancta, eine Lebensbeschreibung der Schweizer Heiligen, erschien erst 1648, also zehn Jahre nach Murers Tod, bei David Hautt in Luzern. Es enthält ebenfalls kolorierte Federzeichnungen, wahrscheinlich von der Hand des Konstanzer Bildhauers und Malers Hans Asper.
Provenance of the manuscript: Die Handschrift Murers mit der Chronik des Klosters Fischingen ist nach ihrer Fertigstellung um 1634 wie die anderen Chroniken, die für das Theatrum Ecclesiasticum Helvetiorum vorgesehen waren, in der Kartause Ittingen geblieben. Vermutlich ist sie erst nach der Aufhebung der thurgauischen Klöster im Jahre 1848ff. in die Kantonsbibliothek Thurgau gelangt, wo sie wahrscheinlich auch gebunden wurde.
Bibliography:
    Literaturverzeichnis: (chronologisch)
    • Kuhn, Konrad: Thurgovia Sacra : Geschichte der thurgauischen Klöster. Bd. II. Erste Lieferung: Fischingen / Konrad Kuhn. Frauenfeld 1879.
    • Meyer von Knonau, Gerold: Heinrich Murer, in: ADB 23 (1886), S. 60.
    • Meier, Gabriel: Der Karthäuser Heinrich Murer und seine Schriften / Gabriel Meier. Stans 1900 (SA: Der Geschichtsfreund ; Bd. 55), S. 1-38.
    • Henggeler, Rudolf: Professbuch der Benediktinerabteien Pfäfers, Rheinau, Fischingen / Rudolf Henggeler. Einsiedeln 1933, S. 403-515.
    • Knoepfli, Albert: Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Bd. II: Der Bezirk Münchwilen / von Albert Knoepfli, Basel 1955, S. 63-226.
    • Früh, Margrit: Die Vorzeichnungen von Hans Asper (d.J.) zu Heinrich Murers Helvetia Sancta in der Kantonsbibliothek Frauenfeld / von Margrit Früh. (SA: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte Bd. 45 (1988), S. 179-206.
    • Luginbühl, Marianne: Die Bibliothek des Klosters Fischingen in der Barockzeit und heute / Marianne Luginbühl, in: Barockes Fischingen. Katalog [der] Ausstellung zum Abschluss der Restaurierungsarbeiten am Kloster Fischingen 1980-1991, Fischingen 1991, S. 93-123.