St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1768
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Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Codices 1726-1984 (14.-19. Jahrhundert) Stiftsbibliothek St. Gallen 1983, S. 38-40.

Handschriftentitel: Antiphonarium officii für die Stiftskirche St. Gallen, Pars hiemalis
Entstehungsort: Chorbibliothek des Stifts St. Gallen, P. David Schaller
Entstehungszeit: 1614
Beschreibstoff: Pergament. Starkes, regelmäßiges Pergament von guter Qualität. Spiegelblätter Papier.
Umfang: II + 452 pp.
Format: 55 x 35
Seitennummerierung: Zeitgenössische Foliierung oben rechts, rote Tinte, 1-191, ab Beginn Proprium de tempore bis zum Ende Proprium de Sanctis, I-XXXIII Commune Sanctorum. Poll. 29, 33, 91 kommen zweimal vor, Sprünge 89/91, 138/142, 143/145. Neue Paginierung.
Lagenstruktur: Quaternionen, außer II (?) 451-Spiegel, die ersten drei Blätter des ersten Quaternionen im vorderen Spiegel, eines evtl. herausgeschnittenen, nach p. 138 zwei Blätter, nach p. 284 ein Blatt, nach p. 288 zwei Blätter herausgeschnitten, p. 378 ein kleiner Zusatz auf Papier hineingeklebt, auf dem hintern Spiegel ein papierenes Bl. 33 x 20,5 eingeklebt.
Seiteneinrichtung: Einspaltig, 40/41 x 24/ 24,5, neun Notensysteme, Liniierung und Einrichtung rote Tinte
Schrift und Hände: Sorgfältige Textualis quadrata für die Gesangstexte, für die Rubriken Antiqua, ebenso für die Offizien Nominis Jesu p. 286-290 und St. Josef, Sieben Schmerzen Mariae p. 378-386. Geschrieben gemäß Titelei (s.u.) 1614 von P. David Schaller.
Musiknotationen: Hufnagelnotation auf fünf Linien
Buchschmuck:
  • Titelseite p. 1 große Miniatur, 41,5 x 27, in mit gelbem Pinselgold verziertem Rahmen, auf allen vier Seiten und an den Ecken in klassischer Rankenornamentik der Spätrenaissance verziert. Auf dem blauen Bildgrund zentrales ovales Medaillon, darin der gelb-rot-blau-goldene, blattwerkverzierte Buchtitel. Über dem Medaillon in der linken Ecke gekrönte Maria in rotem Gewand und blauem Mantel, mit Kind in Wolke, auf Halbmond, mit Szepter, das Kind mit Reichsapfel. Aus ihrer linken Brust preßt sie durch das Gewand weiten Milchstrahl in den Mund St. Bernhards, der in der rechten Ecke auf einem der konsolenartigen, knaufverzierten Pfeiler, die das Medaillon längsseits einschließen, kniet (ikonographische Szene der Lactatio St. Bernhards). Der Heilige in schwarzer Kukulle, darunter weißer Kragen und weiße Ärmel, mit sehr individuellen Gesichtszügen. Zwischen diesen Figuren in violett-gelb-blauer Wolke goldenes IHS mit geraden und gewellten Strahlen. Unterhalb des Medaillons links St. Gallus mit Wanderstab, Brot und Bären mit Baumstamm, rechts St. Otmar im Abtsornat, rote Mitra, Albe, grünes Chorhemd, goldenes, blauornamentiertes Pluviale in der Rechten Pontifikalstab und Ring, in der Linken Fäßchen. In der Mitte, ins Medaillon hineinragend, blaue, reichverzierte Kartusche, darin mit den Abtsinsignien versehenes Wappen, gevierteilt: St.Gallen/Abt Bernhard Müller (1594-1630) und Toggenburg/St.Johann. Darüber mit schwarzer Tinte die Initialen des Schreibers und Künstlers D[avid] M[onachus]: P. David Schaller (1581-1636), s.u. Titelei und Cod. 1769, Spiegelblatt hinten, wo sich der Hersteller ebenfalls David monachus nennt. Über diesen Henggeler Profeßbuch Nr. 213. Das Ganze in qualifizierter Malerei der Spätrenaissance, die Gesichter porträtartig.
  • Hervorragende Initialen in Blattgold, mit Schleifen und Knäufen verziert, auf quadratischem, dunkelblauem, -rotem oder -grünem Grund, verziert mit erlesener Rankenornamentik, mehrfarbener Randschmuck nach Art der antiken Groteskenmalerei, auf der Höhe der Init. mit Blattwerk, Früchten, Fackeln, Stäben, p. 387 mit Fliege: p. 9 (1. Advent), 63 (Weihnacht), 109 (Epiphanie), 244 (Gründonnerstag), 291 (Proprium de Sanctis), 345 (St. Benedikt), 387 (Commune Sanctorum). Rote, blaue und tintenfarbene Initialen der Lombardtradition, stark verschnörkelt, die tintenfarbenen in fleuronneartigem Ornamentnetz.
Einband: Einband 17. Jh., helles Leder auf Holz, Rücken mit neuem Leder überzogen, 5 Bünde, Streicheisenlinien, drei Bahnen mit Einzelstempeln, zuäußerst Christus mit einzelnen Aposteln und Propheten, in der Mitte die Kardinaltugenden, innen Putti. Reiche ornamentale Rollenstempel. Massive Beschläge, fünf pro Deckel, in der Mitte Lilienmotiv, am Rand Favelwesen. Vorne einer, hinten zwei Beschläge verloren. Zwei auf den Vorderdeckel gehende Langriemenschließen mit Halterung, verloren, Ledersignakel, z.T. ursprünglich vergoldet.
Inhaltsangabe:
  • 1-451 Antiphonarium officii ad usum ecclesiae Sancti Galli, Pars hiemalis ANTIPHONARIVS IN VSVM CHORI MONASTERII S. GALLI. PARS HIEMALIS. QVAM Sub Rmo. & III.mo. Principe ac Domino, D. BERNARDO eiusdem, ac S. Ioannis Monasteriorum Abbate. SCRIPSIT F. Dauid Schaller ibidem Conuentualis & Sacerdos. Ad laudem DEI, COELITVMque omnium. ANNO MDCXIV.
    • (4-8) [Calendarium Sangallense] Januar-April, Dezember. Mit Epakten, Sonntagsbuchstaben, Monatstagen.
    • (9-285) Proprium de tempore. Die Antiphonen und Responsorien, auf die in den Rubriken hingewiesen wird, sind vielfach ausgeschrieben, ohne Noten, in Antiqua, cf. p. 101f. und passim, die Responsorien Nr. 1-12
    • (286-290) In festo SS. Nominis Jesu
    • (291-377) Proprium Sanctorum. Das Offizium St.Benedikts besonders geschmückt
    • (378-386) St. Joseph und Sieben Schmerzen Mariae
    • (387- 451) Commvne Sanctorvm
  • Auf papierenem Blatt auf hinterem Spiegel ein Responsorium der Passionswoche, von zeitgenössischer Hand.
Entstehung der Handschrift: Der Band stammt aus der Chorbibliothek des Stifts St. Gallen, cf. Cod. 1757.